Die Angst vor dem Leben ist die größte Angst der Menschen. Wir fürchten uns nicht so sehr vor dem Tod. Unsere größte Angst ist es, das Risiko des Lebens einzugehen, das Risiko, lebendig zu sein und auszudrücken, wer und was wir wirklich sind.
Ich komme mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach Hause. Habe den Abend unter Menschen verbracht und bin wie berauscht von den Begegnungen, dem Austausch, der Freude und der Gemeinschaft. Es war ein guter Tag. Ich bin dankbar und zufrieden.
Früher hätte ich jetzt eine geraucht, um den gelungenen Abend zu feiern.
Aber stimmt das überhaupt – um ihn zu „feiern“?
Eine Zigarette hätte meinem Gefühl der Verbundenheit mit der Welt und den Menschen etwas anderes übergestülpt. Ein vorgefertigtes Befriedigungserlebnis aus der Konserve, das ich sowieso zehn, zwanzig Mal am Tag habe. Schon als ich noch rauchte, habe ich mich im Hinterkopf gefragt, warum.
Dass Traurigkeit oder Stress nach einer Zigarette zum Trost und zur Beruhigung schreien, ist ja leicht zu verstehen. Aber warum Freude und Glück? Warum konnte ich Freude und Glück nicht einfach genießen? Warum brachten sie ein so mächtiges Begehren mit sich, als würde etwas fehlen?
Ich denke heute, dass es mehr mit Angst zu tun hatte als mit Feiern.
Angst vor dem Glück, weil ich nicht damit umgehen und es nicht kontrollieren konnte. Und ebenso Angst davor, dass es wieder verschwinden würde.
Durch das Rauchen wurde das Gefühl berechenbar, handhabbar, kontrollierbar. Ich zwängte es in das bestehende System meiner Routinen, auch meiner Gefühlsroutinen, um es zu zähmen und gleichzeitig zu konservieren.
Den Umgang mit Gefühlen zu lernen ist ist genauso wichtig wie der Verzicht auf die Zigaretten selbst. Und genauso schwer, wenn nicht noch schwerer. Man kann ja auch einen Film schauen, am Handy herumspielen, etwas essen und vieles mehr tun, um seine Gefühlslage in berechenbare Bahnen zu lenken. Etwas findet sich immer.
Suchtverhalten ist ein Ersatz für das echte Leben (Was ist Sucht?). Je mehr wir uns an diesen Ersatz gewöhnen, desto stärker weisen wir das echte Leben zurück, wenn es sich öffnet und anbietet. Denn es ist nicht kontrollierbar. Es ist das beunruhigende Unbekannte. Es überfordert uns. Und je mehr wir es zurückweisen, desto mehr brauchen wir den Ersatz.
Die Sucht zu überwinden heißt, Verantwortung zu übernehmen und das Leben anzunehmen. Mit allem, was dazugehört. Auch wenn es etwas Unheimliches und Beängstigendes ist wie Freude oder Glück.