Wer mit dem Rauchen aufhören will, steht vor zwei Aufgaben. Eine davon ist eher kurz‑, die andere eher langfristig:
- Kurzfristig sind Entzugserscheinungen zu bewältigen. Sie erreichen meist innerhalb der ersten drei Tage nach der letzten Zigarette ihren Höhepunkt und klingen innerhalb weniger Wochen ab. Hierauf bezieht sich der Ausdruck „körperliche Abhängigkeit“.
- Langfristig sind Veränderungen im Lebensstil nötig, um die Sucht an der Wurzel zu überwinden. Der Sucht liegen unbefriedigte Bedürfnisse zugrunde, die an sich nichts mit Nikotin zu tun haben. Dieser Aspekt entspricht etwa dem, was mit „psychische Abhängigkeit“ gemeint ist.
Unter „Verantwortung übernehmen“ finden Sie eine wissenschaftlich fundierte Strategie, um innere Konflikte abschließen, sich ein besseres Leben aufzubauen und so die Sucht auf dieser tieferen Ebene (Punkt 2) zu überwinden.
Hier dagegen geht es um den kurzfristigen Teil der Aufgabe: sich auf den Nikotinentzug vorzubereiten, so dass er möglichst wenig Leiden und Rückfallrisiko mit sich bringt. Der Ratgeber gliedert sich in folgende Abschnitte:
- Rauchen und Entzugserscheinungen – womit muss ich rechnen?
- Gefühle und Gedanken sind keine Befehle
- Die Wunderwaffe: Achtsamkeit und Gelassenheit
- Begründungen (er)finden: Bauchgefühl und Rationalisierung
- Gute Gründe für das Rauchen?
- Glaubenssätze über das Rauchen und den Nikotinentzug
- Gefühle willkommen heißen
- Eine endgültige Entscheidung
- Zusammenfassung: Vorbereitung und Tag X
Fast alle aufhörwilligen Raucher machen sich das Aufhören schwerer als nötig. Sie tun dies auf zweierlei Weise:
- Sie reden sich ein, dass der Entzug die Hölle wird, und machen ihn dadurch zur Hölle.
- Sie kämpfen gegen ihre Gedanken und Gefühle an, was ihren Stress und ihr Leiden vervielfacht.
Die bessere Alternative ist, die vorübergehende Anwesenheit von Entzugserscheinungen gelassen zu akzeptieren. Sie sind mild, wenn man sich nicht ihretwegen verrückt macht. Die Symptome entsprechen in ihrer Schwere etwa denen eines Schnupfens.
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Schnupfen und setzen sich die Idee in den Kopf, dass Sie die verschnupfte Nase, die Mattheit und die Müdigkeit keine Stunde länger aushalten können und dass Sie alle Symptome sofort beseitigen müssen. Letzteres können Sie nicht. Sie glauben aber, es unbedingt zu müssen. Die Symptome müssen weg, sofort!
Wer sich in diese Situation hineinversetzt, kann sich leicht den Stress und die Panik vorstellen, die dadurch entstehen müssen. Genau das ist gewöhnlich die Situation, in der wir uns befinden, wenn wir mit dem Rauchen aufhören.
Indem wir die eigenen Gedanken und Gefühle bekämpfen und uns einreden, die an sich milden Entzugssymptome nicht aushalten zu können, peitschen wir uns in Stress und Panik hinein.
Für diesen Stress und diese Panik gibt es dann ein wirksames Heilmittel. Genau eines.
Die Zwangsvorstellung, sofort die Symptome beseitigen zu müssen, kann nur zu einem Ergebnis führen, wenn wir sie ernst nehmen: dazu, dass wir wieder rauchen.
Aber was wäre, wenn wir das gar nicht müssten – sie ernst nehmen? Wenn wir solche Zwangsgedanken einfach links liegen lassen könnten? Wenn wir die Gedanken und Gefühle des Entzugs wie bunte Heliumballons an uns vorbei- und wegfliegen lassen könnten, ohne sie zu bekämpfen oder vor ihnen davonzulaufen? Wenn wir damit aufhören könnten, uns die Hölle heiß zu machen?
Dann wäre der Nikotinentzug endlich handhabbar – wie ein Schnupfen.
Ein Schnupfen ist unangenehm und kann vorübergehend unsere Pläne durchkreuzen. Er kann uns ein paar Nächte schlecht schlafen lassen und ein paar Tage den Appetit rauben. Aber er ist keine Lebenskrise, die uns in Panik versetzt und ein Nervenbündel aus uns macht.
Wir können lernen, den Entzugserscheinungen mit einer ebenso gelassenen Haltung zu begegnen wie einem Schnupfen. Ihre Bedrohlichkeit schrumpft dadurch auf ein Minimum zusammen.
Zuerst sehen wir uns kurz an, mit welchen Entzugssymptomen überhaupt zu rechnen ist.
Rauchen und Entzugserscheinungen – womit muss ich rechnen?
Nikotin ist eine psychoaktive Droge, also ein Stoff, der in das Funktionieren des Nervensystems eingreift. Durch Rauch und Lunge gelangt das Nikotin schnell ins Gehirn und bewirkt dort eine Ausschüttung von Neurotransmittern. Dies sind die Botenstoffe, durch die Nervenzellen miteinander kommunizieren.
Hierzu gehören Dopamin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Serotonin und Beta-Endorphin. Diese sind mit einer Reihe positiver Gefühle und der Unterdrückung von negativen verbunden. Unter „Was ist Sucht?“ gehe ich darauf genauer ein.
So ist es logisch, dass der Entzug unangenehm ist. Die positiven Gefühle bleiben aus und die negativen kommen wieder an die Oberfläche. Hinzu kommt der Effekt, den jeder Süchtige kennt und den Experten „Toleranz“ nennen. Das Nervensystem passt sich der regelmäßigen Zufuhr des Nikotins an, um weiterhin normal funktionieren zu können.
Dadurch wirkt das Nikotin nicht mehr so wie ursprünglich. Das Nervensystem hat ein neues Gleichgewicht hergestellt, in dem es das Suchtmittel „toleriert“. Dieses Gleichgewicht geht im Entzug verloren. Die Folge ist ein Mangelzustand, der so lange andauert, bis das Nervensystem sich wiederum an die neue Situation angepasst hat.
Art und Ausmaß der Entzugserscheinungen vom Rauchen unterscheiden sich von Person zu Person stark. Deshalb ist es zunächst einmal wichtig, dass Sie Ihr Leiden nicht unnötig vergrößern, indem Sie sich den Entzug als Horrorszenario ausmalen.
Wenn Sie sich den Nikotinentzug als Horrorszenario vorstellen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn er auch ein Horrorszenario wird. Sie selbst haben es dann so geplant.
Rechnen Sie mit Symptomen, aber haben Sie keine Angst vor ihnen. Heißen Sie sie willkommen. Ja, das meine ich ernst. Heißen Sie sie willkommen. Es sind Symptome Ihrer seelischen und körperlichen Heilung. Zigaretten schaden Ihnen und können Sie umbringen – der Entzug nicht. Er ist harmlos. Er ist nicht bedrohlicher als ein Schnupfen.
Verleugnen Sie die Symptome nicht, aber machen Sie sie auch nicht größer und wichtiger, als sie sind.
Mit welchen Symptomen ist also zu rechnen?
Das internationale Klassifikationssystem für Krankheiten, ICD-10, listet folgende Symptome als mögliche Bestandteile eines Nikotinentzugs auf:
- Dysphorische Stimmung (auf Deutsch: schlechte Laune)
- Schlaflosigkeit
- Angst
- Konzentrationsstörungen
- Appetitsteigerung
- Reizbarkeit oder Ruhelosigkeit
- starkes Verlangen nach Nikotin
- vermehrter Husten
- Ulzerationen der Mundschleimhaut
- Krankheitsgefühl oder Schwäche
Das ICD-10 spricht bereits beim Auftreten von zweien dieser Symptome von einem „Entzugssyndrom“. Sie müssen also nicht damit rechnen, es mit der ganzen Liste zu tun zu bekommen. Vielleicht stellen Sie bei sich nur eines davon fest, vielleicht auch zwei, drei oder gar keines.
Seien Sie auf Entzugssymptome gefasst, aber setzen Sie sich nicht die fixe Idee in den Kopf, dass sie auftreten müssten, und schon gar nicht die, dass dies eine Qual sein müsse. Machen Sie sich frei von solchen Vorstellungen. Sie helfen nicht und wirken als selbsterfüllende Prophezeiung. Lassen Sie es unvoreingenommen auf sich zukommen wie ein angekündigtes Unwetter.
Es kann heftig sein oder weniger heftig. So oder so wissen Sie, dass Sie es überleben werden, dass es Ihnen nicht ernsthaft schaden kann und dass es bald vorbeigeht. Welche Symptome im Einzelnen auftreten, ändert nichts an Ihrer Entscheidung. Lassen Sie es über sich hinwegspülen und freuen Sie sich darüber, dass Ihnen eine bessere Zukunft bevorsteht, die bereits begonnen hat.

Folgende Abschnitte verraten Ihnen, wie das geht.
Gefühle und Gedanken sind keine Befehle
Der Übergang in ein suchtfreies Leben bedeutet eine erhebliche Veränderung. Insbesondere in den ersten Tagen, aber in milderer Form auch darüber hinaus, machen sich ungewohnte und zum Teil unangenehme Gedanken und Gefühle bemerkbar. Vor allem das Bedürfnis, zu rauchen, und das Gefühl, rauchen zu müssen, um normal leben zu können.
Empfindungen der Leere, Ängste, Unruhe, Unkonzentriertheit, Müdigkeit und Unsicherheit treten auf, begleitet von entsprechenden Gedanken. Der Kopf erfindet Argumente dafür, dass es doch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen sei. Man könne ja heute noch rauchen und morgen aufhören. Das sei doch auch in Ordnung oder eigentlich sogar besser, weil …
Die Gefühle und Gedanken des Entzugs erhalten ihre Macht dadurch, dass wir sie ernst nehmen und bekämpfen. Unser Kampf gegen sie verleiht ihnen Bedeutung und Energie und sichert ihnen unsere Aufmerksamkeit.
Der unbedingte Wunsch, diese Gefühle und Gedanken abzustellen, führt zurück zur Zigarette, denn die ist der perfekte und einzige Weg, sie sofort und vollständig abzustellen.
Die gute Nachricht ist, dass wir sie gar nicht abstellen müssen, und daher auch nicht bekämpfen. Wir können sie stattdessen einfach akzeptieren, ohne ihnen im Handeln nachzugeben. Dazu verwenden wir die Methoden der Achtsamkeit und Gelassenheit.
Die Wunderwaffe: Achtsamkeit und Gelassenheit
Vor 2.500 Jahren stellte sich der indische Prinz Siddhartha Gautama eine anspruchsvolle Aufgabe: Er wollte das Leiden überwinden. Die Lösung, die er nach vielen Jahren und Mühen dafür fand, machte ihn zum Vater einer Weltreligion und brachte ihm den Namen „Buddha“ ein – auf Deutsch „der Erwachte“.
Vereinfacht ausgedrückt bestand seine Lösung darin, Achtsamkeit und Gelassenheit zu kultivieren.
Das bedeutet, zu den eigenen Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen eine andere Haltung einzunehmen. Durch Meditation wird diese Fähigkeit trainiert. Doch auch ohne Meditation kann man von der Weisheit dieses Umdenkens profitieren. In Ansätzen tun Sie das bereits – darauf komme ich gleich zurück.
Achtsamkeit bedeutet, Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen aufmerksam zu registrieren.
Gelassenheit bedeutet, sich des Urteilens über sie zu enthalten. Sie gewissermaßen aus der Distanz zu betrachten, als ob sie uns interessierten, aber nicht persönlich beträfen.
Diese doppelte Verschiebung der Aufmerksamkeit ist ein mächtiges Werkzeug, um Leiden zu reduzieren und ein glücklicheres Leben zu führen.
Durch Achtsamkeit hören wir auf, vor Gedanken und Gefühlen davonzulaufen und uns von der aktuellen Situation abzulenken. So erhalten wir ein schärferes Bewusstsein davon, was mit uns geschieht. Wir können also gezielter darauf reagieren, besser und schneller daraus lernen oder das Erlebte intensiver genießen – je nachdem.
Möglich ist dies aber nur, weil die Achtsamkeit von Gelassenheit begleitet ist. Im Normalfall hält uns der innere Strom unserer Urteile und Emotionen davon ab, genau wahrzunehmen, was mit uns geschieht. Dazu müssen wir uns ein Stück von ihnen emanzipieren. Wir leugnen nicht, dass sie da sind, und wir kämpfen nicht gegen sie, aber wir lassen uns auch nicht von ihnen beherrschen.
Ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine E‑Mail von einem Kollegen, die Sie ärgert. In Ihnen beginnt ein wütender innerer Monolog, in dem Sie ihm die Meinung sagen. Ihre Gedanken rasen, Ihr Puls ist erhöht, Sie beginnen zu schwitzen.
Nun haben Sie zwei Möglichkeiten:
- Sie lassen sich von Ihrer Wut tragen und brüllen den Kollegen an, schicken ihm eine Wut-E-Mail, fluchen vor sich hin, schlagen mit der Faust gegen die Wände oder Ähnliches.
- Sie treten innerlich einen Schritt von der Situation zurück und nehmen die Rolle eines Beobachters ein. Sie beobachten: „Diese E‑Mail hat mich wütend gemacht. Das liegt wohl daran, dass ich es nicht leiden kann, wenn jemand [X], oder daran, dass der Kollege meinen wunden Punkt [X] getroffen hat. Ich habe erhöhten Puls, ich schwitze und mein Kopf fühlt sich heiß an. Ich verspüre den Impuls, zu schreien oder etwas kaputtzuschlagen. Aber damit wäre mir nicht geholfen. Ich beruhige mich erst einmal und überlege dann, wie ich die Situation lösen und dem Kollegen antworten kann.“
Die meisten von uns würden eher die zweite Variante wählen, als um sich zu schlagen. Das meinte ich, als ich sagte, dass Sie die Methoden der Achtsamkeit und Gelassenheit in ihren Grundzügen bereits anwenden.
Die Unterschiede sind:
In Szenario 1 spüren wir unsere Wut intensiv, haben aber trotzdem kein scharfes Bewusstsein von ihr, weil wir ganz von ihr beherrscht werden. In unserer Wahrnehmung vermischt sich unser inneres Empfinden mit der äußeren Realität. Das macht es schwer, die Situation zu verstehen oder aus ihr zu lernen und an ihr zu wachsen.
In Szenario 2 spüren wir unsere Wut ebenfalls intensiv, in gewisser Weise sogar intensiver, da wir unsere Aufmerksamkeit auf sie konzentrieren. Aber die Art, sie zu erleben, ist eine andere. Wir treten einen Schritt zurück und beobachten: Wie fühlt sich die Wut an? Wo im Körper spüre ich sie? Was sind ihre Gründe? Was für Gedanken verbinden sich mit ihr?
Durch die achtsame Art, unseren Gefühlen nahe zu sein, vermischen wir sie nicht mit unserer Wahrnehmung der Realität. Im Gegenteil: Wir unterscheiden.
Der nüchterne, gelassene Beobachter in uns unterscheidet – zum Beispiel:
- zwischen den verschiedenen körperlichen und geistigen Aspekten der Wut,
- zwischen der Wut und dem Rest unserer Persönlichkeit,
- zwischen der Wut und der E‑Mail sowie
- zwischen der E‑Mail und dem Absender.
Die Vorteile von Szenario 2 auf den Punkt gebracht:
- Wir sind wütend, aber nicht von unserer Wut bestimmt. Wir behalten die Kontrolle.
- Wir nehmen differenziert wahr, was mit uns geschieht. Das eröffnet uns die größtmögliche Chance, aus dem Ereignis zu lernen, so dass wir beim nächsten Mal stärker und klüger sind.
- Da wir die beteiligten Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen unterscheiden, sind wir nicht mehr von ihnen überwältigt. Als unauflösliches Knäuel überfordern sie uns, und dies drängt uns emotional zusätzlich in die Ecke. Doch wenn wir die einzelnen Stränge entwirrt haben – Herzklopfen, Kränkung, den Impuls, auf den Tisch zu schlagen usw. –, ist jeder einzelne davon leicht handhabbar. Damit sind sie dann auch in der Summe handhabbar. Unser Leiden an der Situation ist drastisch reduziert.
Genau so können wir auch im Nikotinentzug unser Leiden drastisch reduzieren. Indem wir die Gedanken und Gefühle des Entzugs achtsam registrieren, beobachten und unterscheiden, statt uns von ihnen mitreißen und bestimmen zu lassen.
Wie gewinnen wir die nötige Distanz und Gelassenheit dafür? Indem wir zur Vorbereitung auf den Rauchstopp unsere Glaubenssätze lockern, die unserer Zwangsvorstellung zugrunde liegen, wir müssten rauchen und könnten es ohne Zigaretten nicht aushalten. Wir machen uns diese Glaubenssätze bewusst und können ihnen dann mit Achtsamkeit und Gelassenheit begegnen.
Dadurch verlieren sie ihre Macht über uns. Gleichzeitig gewinnen wir dabei die Übung und Erfahrung, die wir brauchen, um den Entzugserscheinungen mit derselben gelassenen Distanz zu begegnen.
Begründungen (er)finden: Bauchgefühl und Rationalisierung
Wir Menschen fällen Urteile und treffen Entscheidungen in der Regel auf einer unbewussten, emotionalen Ebene, also anhand unseres sprichwörtlichen Bauchgefühls. Erst nachträglich (er)finden wir rationale Gründe und Begründungen.
Ein alltägliches Beispiel dafür ist, dass wir jemanden kennenlernen und ihn spontan mögen oder gerade nicht mögen. Diese Zu- oder Abneigung bildet sich von selbst und zunächst ohne Worte. Unser bewusster Verstand ist Empfänger der inneren Botschaft, dass wir die Person mögen oder nicht mögen. Er ist nicht ihr Urheber.
Wenn wir nach Gründen für unsere Einstellung gefragt werden, fallen uns früher oder später welche ein: Ich mag die Stimme der Person, die Augen, das Lächeln, das Temperament und so weiter. Aber wir tragen nicht zuerst diese Gründe zusammen, um sie zu einem Urteil über die Person zu verbinden. Das Urteil ist als Bauchgefühl vor der Begründung da.
Wäre das anders, könnten wir uns selbst oder andere zum Beispiel mit Argumenten davon überzeugen, sich in jemanden zu verlieben: Er/Sie ist doch nett, anständig und zuverlässig, sieht gut aus, hat dies und jenes zu bieten … – das mag alles stimmen. Aber man kann noch so lange Listen mit Vorzügen der Person aufstellen. An unseren Gefühlen ihr gegenüber ändert das wenig. Ebenso wenig können wir uns eine Verliebtheit mit noch so guten Argumenten ausreden.
Im Idealfall sind unsere nachträglich gefundenen Begründungen zutreffende Beschreibungen dessen, was uns auf emotionaler Ebene bewegt. Aber manchmal stecken in Wirklichkeit andere Gründe dahinter als die, die wir uns und anderen als Begründung anbieten.
Die Begründungen klingen mehr oder weniger plausibel, sind aber nur vorgeschoben, ohne dass wir uns selbst dies klarmachten. In diesem Fall bezeichnet man sie auch als „Rationalisierungen“: Etwas an sich nicht Rationales erhält einen rationalen Anstrich, mit dem wir andere und uns selbst über die Gründe unseres Handelns täuschen.
Gute Gründe für das Rauchen?
Im Leben eines Rauchers spielen Rationalisierungen eine wichtige Rolle. Sie sind der eigentliche Grund für die inneren Kämpfe und Konflikte, die den Entzug zur Qual machen können.
Denn die Mechanismen der Sucht, wie sie unter „Was ist Sucht?“ und „Warum rauchen Menschen?“ beschrieben sind, wirken unbewusst. Gleichzeitig wissen wir seit eh und je, dass uns das Rauchen schadet, unsere Lebensqualität mindert und unser Leben wahrscheinlich verkürzt.
Da so viel dagegen spricht, brauchen wir besonders gute Gründe, um das Rauchen vor uns zu rechtfertigen. Wir tun also, was wir immer tun, wenn wir gedankenlos Emotionen und Instinkten folgen: wir rationalisieren. Wir erfinden gute Gründe für das Rauchen. Und wir lernen, daran zu glauben.
Der wichtigste Schritt der Vorbereitung auf den Rauchstopp besteht darin, diesen Rationalisierungen die Luft herauszulassen und uns so von der Zwangsvorstellung zu befreien, unbedingt rauchen zu müssen. Wenn wir daran nicht mehr glauben, verlieren die an sich milden Entzugserscheinungen ihre Macht über uns.
Glaubenssätze über das Rauchen und den Nikotinentzug
Damit diese Übung gelingt und wirkt, müssen wir noch einmal die achtsame, gelassene Haltung uns selbst gegenüber einnehmen, die ich unter „Sich selbst ein guter Freund sein“ beschrieben habe. Es geht nicht darum, unsere Glaubenssätze zu attackieren und uns Vorhaltungen zu machen, wie dumm und falsch sie seien. Dies würde nur Widerstand provozieren und dem Teil unserer Persönlichkeit Energie verleihen, der rauchen will.
Wenn uns jemand das Recht auf unsere eigene Meinung streitig macht, beharren wir umso mehr auf ihr. Man nennt das auch Trotz, oder mit einem Fachausdruck: Reaktanz. Das gleiche passiert, wenn wir versuchen, uns selbst herumzukommandieren. Der angegriffene Teil unserer Persönlichkeit rebelliert.
Was wir stattdessen brauchen, um uns zu verändern, ist eine interessierte, ruhige und verständnisvolle Haltung gegenüber dem, was wir ändern wollen. Ohne Selbstvorwurf oder ‑verurteilung. Erforschen Sie mit Interesse und Neugier die Facetten Ihrer Persönlichkeit, als wären Sie ein Wissenschaftler im Labor, der Zellen unter dem Mikroskop betrachtet.
Als Raucher haben Sie mit Sicherheit einige halb- und unbewusste Glaubenssätze, die Sie wie selbstverständlich annehmen lassen,
- dass Sie rauchen müssen,
- dass Sie in bestimmten Situationen und zu bestimmten Anlässen rauchen müssen und
- dass Ihnen etwas Schlimmes zustoßen würde, wenn Sie nicht rauchten.
Wenn Sie diese Glaubenssätze im hellen Tageslicht betrachten, dann sehen Sie ganz von selbst, dass nichts davon wahr ist. Um sich diese Einsicht zu eröffnen, müssen Sie nur zweierlei tun: sich die Glaubenssätze bewusst machen und ihnen mit Achtsamkeit und Gelassenheit begegnen – ohne Selbstvorwurf, Verärgerung oder sonstiges Urteilen.
Dazu dient die folgende Übung. Nehmen Sie sich etwas Zeit und konzentrieren Sie sich darauf, genau hinzusehen und die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Nehmen Sie einen Stift (oder eine Tastatur) zur Hand und vervollständigen Sie die Satzanfänge:
- „Ich muss rauchen, weil …“,
- „Ich muss rauchen, wenn …“ und
- „Wenn ich nicht rauche, …“.
Mit dem ersten decken Sie Ihre Rationalisierungen auf, die Ihnen weismachen, Sie hätten keine Wahl. Mit dem zweiten identifizieren Sie Ihre „Trigger“, also die Situationen, in denen Sie glauben, eine Zigarette zu brauchen. Mit dem dritten finden Sie heraus, was Sie vom Entzug oder vom Leben als Nichtraucher befürchten.
Schreiben Sie spontan drauflos, sobald sich eine Idee in Ihnen regt, und vermeiden Sie langes Nachdenken. So kommen Sie am besten zu Ergebnissen und in eine gelassene, nicht urteilende Haltung hinein. Sich des Urteilens zu enthalten ist wichtig, um wahre Antworten zu bekommen. Sonst fallen wir uns vielleicht ins Wort: „Nee, das schreibe ich nicht, das klingt mir zu blöd.“
Es ist egal, ob es „blöd“ klingt. Sie wollen wissen, was in Ihnen vorgeht. Sich selbst etwas vorzumachen bringt Sie nicht weiter. Seien Sie ehrlich zu sich, schreiben Sie auf, was Sie vorfinden und verbannen Sie Urteile wie „blöd“ aus Ihrem Repertoire.
Finden Sie mindestens fünf Vervollständigungen für jeden Satz, noch besser zehn. Führen Sie Ihre Antworten ein wenig aus und schreiben Sie nicht nur, „weil mir sonst etwas fehlen würde“ oder Ähnliches. Wir brauchen es etwas genauer. Was würde Ihnen fehlen? Wie würde sich das anfühlen? Wie würde sich Ihr Tag gestalten?
Es macht nichts, wenn sich Teile Ihrer Antworten wiederholen. Es geht hier nicht darum, hohe Literatur zu schaffen.
Im Folgenden ein paar Beispiele.
Ich muss rauchen, weil …
- … ich ohne zu rauchen in der Luft hänge und den Boden unter den Füßen verliere. Mein Leben und meine Welt verlieren ihre Struktur. Ich werde nervös und unsicher. Ich kann dem Stress des Alltags nicht mehr standhalten, er überwältigt mich und ich werde handlungsunfähig.
- … ich sonst meine Pausen nicht genießen und nicht entspannen kann. Mir würde dieses kleine Ritual fehlen, bei dem ich zur Ruhe komme, mich zurücklehne und alle Probleme für einen Moment vergesse.
- … ich mir das Leben als Nichtraucher einfach nicht vorstellen kann. Das bin nicht ich. Andere können ohne Zigaretten zufrieden sein und ein Bier genießen, aber ich nicht.
- …
Ich muss rauchen, wenn …
- … ich einen Kaffee trinke.
- … ich mich freue.
- … ich gestresst bin.
- …
Wenn ich nicht rauche, …
- Bekomme ich Angst, kann nicht mit Stress umgehen und verliere mich.
- Kann ich mich nicht konzentrieren und bekomme dieses wichtige Projekt nicht fertig und überstehe meinen Arbeitstag nicht.
- Werde ich nie Befriedigung, Ruhe, Entspannung oder Glück finden. Das Leben wird eine einzige Mühsal mit viel Grau und wenig Farbe.
- …
Nehmen Sie sich Zeit für die Übung und setzen Sie sich nicht unter Druck. Halten Sie sich die Satzanfänge vor Augen und schreiben Sie auf, was Ihnen dazu einfällt. Ihr Text muss nicht clever, sprachlich korrekt oder elegant sein. Je ehrlicher, desto besser.
Bringen Sie Ruhe und Geduld mit und hören Sie erst auf, wenn Ihnen nichts mehr einfällt. Natürlich können Sie die Übung auch auf mehrere Sitzungen aufteilen. Das ist sogar sinnvoll, denn die gewonnenen Erfahrungen bleiben dann besser im Gedächtnis und Ihre Ideen haben mehr Zeit, um sich zu formen und zu reifen.
Wie bei den Schreibaufgaben unter „Verantwortung übernehmen“ gilt auch hier: Wenn Sie auf etwas stoßen, das Sie lieber nicht anschauen und artikulieren wollen, ist es umso wichtiger, dass Sie es tun! Hören Sie auf, davonzulaufen, und verurteilen Sie sich nicht. Es ist, wie es ist.
Die Vergangenheit können Sie nicht ändern – aber die Zukunft. Um dafür eine feste Grundlage zu haben, müssen Sie wissen, wo Sie stehen.
Wenn Sie mit dem Schreiben fertig sind, gehen Sie Ihre Aussagen eine nach der anderen durch und führen sich jede einzelne in Ruhe vor Augen.
Malen Sie in der Vorstellung ein lebendiges, plastisches, farbiges Bild von jeder Aussage. Zum Beispiel ein Bild von sich selbst, wie Sie beim Kaffee oder Bier sitzen und das Getränk überhaupt nicht und nie wieder genießen können, weil Sie dazu keine Zigarette rauchen.
Wenn Sie das Bild fertig geformt haben, stecken Sie es in der Vorstellung in ein Einmachglas, verschließen Sie das Glas und stellen Sie es ins Regal, wo Sie den Inhalt jederzeit betrachten können. Sie können auch einen anderen Behälter verwenden, etwa eine Schneekugel oder ein Reagenzglas.
In diesen durchsichtigen Behältern sehen Sie die Glaubenssätze, die Ihr Hirn herausgebildet hat, um das Rauchen zu rationalisieren. Sie haben nun die Freiheit, diesen Glaubenssätzen den Rücken zu kehren und sie im Regal zurückzulassen. Sie wissen nach wie vor, dass sie da sind, und Sie können sie nicht einfach wegzaubern.
Aber Sie müssen ihnen nicht mehr gehorchen.
Es sind keine Befehle und keine Gesetze. Häufig ist schon auf den ersten Blick zu erkennen, dass sie unwahr sind.

Wenn Sie sich zum Beispiel mit gelassenem Interesse auf die Idee einlassen, dass Sie als Nichtraucher nie wieder einen Kaffee genießen können, fällt Ihnen vielleicht auf, dass Sie das gar nicht wissen können, wenn Sie es nicht versuchen. Oder Sie merken, dass Sie keinen einzigen Ex-Raucher kennen, der die Freuden des Lebens nicht mehr genießen kann.
Versuchen Sie aber nicht, eine solche Widerlegung der Glaubenssätze zu erzwingen. Nehmen Sie Ihre Vorstellungsbilder ruhig zur Kenntnis und akzeptieren Sie ihre Anwesenheit. Machen Sie sich dabei klar, dass sie eben nur das sind: Vorstellungen. Ideen. Gedanken.
Im ersten Schritt ist nicht so wichtig, ob sie wahr sind. Erwarten Sie auch nicht, dass sich die Glaubenssätze sofort in Luft auflösen. Das mag bei manchen der Fall sein und bei anderen nicht, bei allen oder bei keinem. Das ist nicht ausschlaggebend.
Ausschlaggebend ist, dass Sie sich von der Alleinherrschaft dieser Glaubenssätze über Ihr Denken, Fühlen und Verhalten befreien, indem Sie verstehen, dass Sie sich nicht daran halten müssen.

Diese Glaubenssätze sind echte Bestandteile Ihres Seelenlebens. Akzeptieren Sie sie als solche. Sehen Sie aber auch, dass Ihr Seelenleben noch viel mehr umfasst.
Nicht alles, was in Ihrem Kopf herumschwirrt, ist eine unumstößliche Wahrheit. Sie müssen nicht jeden Gedanken ernst nehmen und in eine Handlung umsetzen.
Nehmen Sie Ihre Glaubenssätze zur Kenntnis, stecken sie ins Glas und studieren sie mit Neugier und Interesse. Stellen Sie sie vorerst ins Regal und lassen sie dort stehen.
Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören, werden diese oder ähnliche Bilder hin und wieder in Ihrem Kopf auftauchen. Das beunruhigt Sie jetzt nicht mehr. Sie sind darauf vorbereitet. Sie wussten, dass sie da sind. Dass diese Bilder jetzt noch einmal zum Leben erwachen, war zu erwarten. Es tut nicht weh und ändert nichts an Ihrer Entscheidung.
Wenn ein Gedanke wie „Ich muss jetzt eine rauchen“ auftaucht, heißen Sie ihn willkommen, stecken ihn ins Einmachglas und stellen dieses zu den anderen ins Regal. Fertig.
Gefühle willkommen heißen
Doch es sind nicht nur Ideen, Vorstellungen und Gedanken, die sich zu Wort melden, nachdem Sie die letzte Zigarette ausgedrückt haben. Es sind auch Gefühle.
Gefühle, die Sie bisher auch schon hatten und gewöhnlich mit Hilfe einer Zigarette regulieren. Eine Zigarette zum Feiern, wenn Sie sich freuen. Eine Zigarette zum Trost und zur Beruhigung, wenn Sie traurig, enttäuscht oder verärgert sind.
Außerdem sind mehr oder weniger neue Gefühle zu erwarten, da sich Ihr Leben verändert und eine gewohnte emotionale Krücke wegfällt.
Vielleicht erleben Sie im Verlauf des Entzuges und der Entwöhnung Phasen der Traurigkeit. Vielleicht sind Sie an irgendeinem Punkt freudig erregt und haben das Gefühl, damit ohne eine Zigarette nicht umgehen zu können. Vielleicht macht die Freude Sie leichtsinnig und Sie kommen auf die Idee, Sie könnten sich doch jetzt eine Zigarette leisten. Nur eine.
Erwarten Sie emotionale Turbulenzen. Diese sind meist relativ mild, wenn Sie sie nicht durch unnötige innere Kämpfe verschlimmern. Akzeptieren Sie Ihre Gefühle. Bekämpfen Sie sie nicht.
Spüren Sie sie bewusst und machen Sie sich dabei klar, dass Ihre momentanen Gefühle nicht mit Ihnen identisch sind. Das heißt: Sie haben Gefühle, aber Sie sind nicht Ihre Gefühle. Ihre Persönlichkeit und Ihr Leben besteht aus viel mehr als aus einem momentanen Gefühl. Daher brauchen Sie sich nicht von einem momentanen Gefühl kontrollieren zu lassen.
Die Gefühle sind etwas, das Ihnen jetzt in einem bestimmten Augenblick widerfährt. Sie sind keine Befehle und niemals die ganze Wahrheit. Akzeptieren Sie sie, heißen Sie sie willkommen.
Entspannen Sie sich. Schließen Sie die Augen. Atmen Sie ruhig und tief. Und erlauben Sie sich, das Gefühl zu fühlen.
Ihre Gefühle, auch diejenigen, die eventuell mit dem Sehnen nach einer Zigarette zu tun haben, sind Teil und Ausdruck Ihrer Lebensenergie – ebenso wie die Bedürfnisse, die der Sucht zugrunde liegen, an sich gute, gesunde, lebendige Bedürfnisse sind.
Sie müssen diese Gefühle nicht vertreiben oder befrieden. Lassen Sie sie zu, akzeptieren Sie sie als das, was sie sind. Gefühle. Nicht mehr und nicht weniger. Sie fühlen sich verwirrt oder überwältigt? Gut. Konzentrieren Sie sich darauf, das zu fühlen. Es ist kein Problem.
Es wird erst zum Problem, wenn Sie dagegen kämpfen.
Buddhisten kennen die Formel: Leiden ist gleich Schmerz multipliziert mit Widerstand.1
Je mehr Widerstand Sie Ihren Empfindungen entgegensetzen, desto mehr leiden Sie.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel des Schnupfens. Wenn Sie sich in den Kopf setzen würden, sofort die Erkältungssymptome loswerden zu müssen, wären Sie schnell frustriert. Doch nicht nur das: Je mehr Sie darauf beharren, desto mehr erfüllt der Schnupfen ihr ganzes Bewusstsein.
In diesem unerträglichen Zustand müssten Sie dann noch Wochen verbringen. Furchtbares unnötiges Leiden ist die Folge. Gut möglich, dass sich die Krankheit durch die negative Einstellung und den Stress verschlimmern und verlängern würde.
Doch zum Glück passiert das nicht. Sie nehmen die Symptome für den Moment hin und leben Ihr Leben, so gut sie können, ohne ständig zu fluchen, zu zetern und zu kämpfen, weil Sie einen Schnupfen haben.
Machen Sie es mit dem Entzug genauso.
Ihre Lebensenergie will Sie jetzt vorübergehend in eine falsche Richtung treiben. Sie hat sich verirrt. Trotzdem ist es gut und wunderbar, dass sie da ist. Freuen Sie sich darüber, seien Sie dankbar dafür und nähren Sie sich daran.
Was Sie spüren, ist die Befreiung Ihrer Lebensenergie aus den Ketten der Sucht. Was Sie spüren, ist Ihre körperliche und seelische Heilung.
Wenn Sie vor Ihren Gefühlen davonlaufen, erzeugen Sie Stress und bleiben in Ihrer persönlichen Entwicklung stehen, wo Sie sind. Das heißt, Sie müssen in Zukunft bei ähnlichen Empfindungen wieder davonlaufen.
Wenn Sie sich dagegen erlauben, Ihre Gefühle voll wahrzunehmen, begegnen Sie ungefiltert dem wahren Leben. Sie schließen Bekanntschaft mit Teilen von sich, vor denen Sie bisher davongelaufen sind. Sie erfahren, dass Sie stark genug sind, dem Leben ins Auge zu sehen.
Auch Gefühle wie Ärger oder Traurigkeit sind Geschenke. Sie können sie nutzen, um die Entwicklung Ihrer Persönlichkeit nachzuholen, die bisher in der Sucht feststeckte. Sehen Sie sie als Formen von Energie und Lebendigkeit. Je mehr Sie sich erlauben, zu fühlen, desto schneller kommen Sie voran und desto stärker werden Sie.
Eine endgültige Entscheidung
Jetzt fehlt nur noch eines, um sich so auf den Nikotinentzug vorzubereiten, dass Sie ihn gelassen wie einen Regenschauer – oder einen Schnupfen – kommen und gehen lassen können: eine feste und unumstößliche Entscheidung.
Sie können die Entscheidung für oder gegen das Rauchen nicht zu dem Zeitpunkt treffen, wenn die Entzugserscheinungen einsetzen. Natürlich haben Sie in diesem Moment Lust, zu rauchen. Aber wenn Sie gut vorbereitet sind, spielt das keine Rolle, weil Sie sich schon lange vorher entschieden haben, nicht mehr zu rauchen.

Deshalb ist es wichtig, sich mit einem ausreichenden Vorlauf einen Termin zu setzen. Eine, zwei oder drei Wochen sind dafür gute Zeiträume.
Treffen Sie eine feste Entscheidung, ab dem gewählten Termin nicht mehr zu rauchen. Andere Stimmen in Ihrem Kopf melden sich zu Wort, die an dieser Entscheidung zweifeln. Aber Ihr Kopf ist kein Parlament und dieses Vorhaben ist wichtig. Ab dem Tag X rauchen Sie nicht mehr, komme was wolle.
Es ist noch nie jemand am Nikotinentzug gestorben. Der Nikotinentzug kann nichts aufbieten, was Sie nicht aushalten könnten, und niemand kann Sie zum Rauchen zwingen. Deshalb ist es möglich, mit 100-prozentiger Sicherheit festzulegen, dass Sie ab dem Tag X nicht mehr rauchen werden.
Brennen Sie die Brücke nieder, die zurück in Ihr Raucherleben führt. Schauen Sie zu, wie ihre verkohlten Überreste vom Fluss davongetragen werden. Das war die einzige Brücke. Es ist vorbei. Sie können aufatmen.
Die verbleibenden Tage sind eine Übergangszeit. Sie sind eigentlich kein Raucher mehr. Sie rauchen noch, aber innerlich sind Sie bereits dabei, von diesem Leben Abschied zu nehmen.
Sie wissen, dass wahrscheinlich Entzugserscheinungen auftreten werden, und Sie wissen, wie Sie damit umgehen wollen. Wenn es dann soweit ist, berührt dies nicht Ihre Entscheidung. Es ist keine Überraschung und die Zeit des Nachdenkens ist vorbei. Jetzt ist die Zeit der Umsetzung.
Lassen Sie sich auf keinerlei Gedanken ein, die an der Entscheidung zweifeln wollen. Schenken Sie ihnen keinen Glauben. Lassen Sie sie vorbeiwehen wie Blätter im Wind.
Ihr Bewusstsein, dass die Entscheidung schon getroffen ist, erspart Ihnen die belastenden inneren Kämpfe gegen den Wunsch, zu rauchen. Es gibt nichts zu kämpfen.
Doch mehr noch: Die feste Entscheidung mit zeitlichem Vorlauf ermöglicht es Ihnen, sich darauf zu freuen, mit dem Rauchen aufzuhören. Wenn Sie eine feste Entscheidung treffen, dann wissen Sie, dass Sie ab dem Tag X Nichtraucher sind. Endlich frei!
Sie haben dann noch die Aufgabe, mit den Entzugserscheinungen zurechtzukommen, mit dieser speziellen Art von Schnupfen. Dies ist eine der Folgen Ihrer Entscheidung, aber kein Faktor, der in die Entscheidung einfließt. Das kann es gar nicht sein, weil die Entscheidung in der Vergangenheit liegt.
Ab dem Tag X rauchen Sie nicht mehr. Punkt. Sie haben sich lange Zeit gewünscht, nicht mehr rauchen zu müssen, und jetzt geht Ihr Wunsch in Erfüllung. Freuen Sie sich darauf und feiern Sie diesen wichtigen, guten Schritt.
Sie gehen jetzt durch eine Zeit der Verunsicherung, die Sie bewusst auf sich nehmen und hinter sich bringen wie einen Schnupfen. Dabei mag Ihnen der Gedanke kommen, sich Zigaretten zu kaufen. Das ist okay. Es ist nur ein Gedanke.
Sie haben Tausende von Gedanken am Tag, ohne kopflos jedem einzelnen davon hierhin und dorthin zu folgen.
Sie verurteilen sich nicht für den Gedanken ans Rauchen, denn Sie nehmen Ihn gar nicht ernst. Sie müssen ihn nicht widerlegen oder ihm einen Grund dafür liefern, dass Sie ihm nicht folgen. Sie müssen ihn nicht bekämpfen. Lassen Sie ihn in Ruhe, dann lässt er Sie auch sehr schnell wieder in Ruhe.
Gönnen Sie sich eine Pause. Der Kampf ist vorbei, denn Ihre Entscheidung steht fest.
Zusammenfassung: Vorbereitung und Tag X
Indem Sie sich Ziele setzen und Ihr Leben ordnen wie unter „Verantwortung übernehmen“ beschrieben, erarbeiten Sie sich die nötige Perspektive und Motivation für ein suchtfreies Leben. Sie können damit sofort beginnen und schon nach wenigen Tagen, spätestens einigen Wochen, eine spürbare Verbesserung Ihres Lebensgefühls wahrnehmen.
Sie sind stärker, mehr mit sich im Reinen, haben größere Kontrolle über Ihr Leben und sehen neue Perspektiven für Ihre Zukunft.
Stellen Sie sich vor, wo Sie in fünf Jahren sein können, wenn Sie nach Ihren Möglichkeiten alles richtig machen. Unterschätzen Sie sich nicht. Niemand weiß, wo Ihre Grenzen liegen – auch Sie selbst nicht, wenn Sie sich nicht herausfordern.
Legen Sie also den Tag X fest, an dem Sie Ihre letzte Zigarette rauchen. Wenn dieser Tag kommt, sollten Sie Ihre Vision und dazu passende kurz‑, mittel- und langfristige Ziele niedergeschrieben haben, denn diese Vision ist der Grund, aus dem Sie mit dem Rauchen aufhören und nicht wieder anfangen.
Außerdem sollten Sie mit dem Schreiben über Ihre Vergangenheit begonnen haben. Im Idealfall haben Sie dabei bereits die Erfahrung gemacht, dass Sie über Ängste oder lange zurückliegende Erlebnisse geschrieben haben und sich dadurch erleichtert und gefestigt fühlten, weil es nun weniger gibt, was Sie plagt, beunruhigt und verwirrt. Weil Ihnen klarer geworden ist, wer Sie sind: Ein Mensch, der etwas Besseres verdient als die Sucht.
Sie haben außerdem damit begonnen, Ihre Vision zu visualisieren, ein- oder zweimal am Tag, am besten direkt vor dem Schlafengehen und nach dem Aufwachen. Bisher reißt die Sucht Sie immer wieder in Ihre aktuelle Bedürfnislage zurück, in der Sie Vergangenheit und Zukunft vergessen. Mit der Visualisierung des besseren Lebens gehen Sie dagegen an und zeigen Ihrem Motivationsapparat eine Alternative auf.
Doch das Suchtverhalten hat sich über Jahre eingeschliffen und ist daher oft stärker, wenn Sie beide Motivationen – Sucht und Lebensziele – direkt gegeneinander antreten lassen. Deshalb brauchen wir die feste Entscheidung, einen Termin und die Vorbereitung.
Gehen Sie Ihren Glaubenssätzen über das Rauchen auf den Grund und lernen Sie, eine achtsame und gelassene Haltung ihnen gegenüber einzunehmen. So entkommen Sie ihrer zwingenden Kraft.
Kultivieren Sie Vorfreude darauf, Ihr neues Leben zu beginnen, während Sie Ihre Vision erschaffen, sich Ihre Vergangenheit aneignen und die ersten kleinen Veränderungen in der Gegenwart vollziehen.
Und entscheiden Sie, es zu tun. Kein „mal sehen“, kein „ich würde eigentlich gern“ und kein „ich versuche es“. Ab dem Tag X rauchen Sie nicht mehr. Wenn der Tag da ist, haben Sie das längst entschieden.

Sie sind ins Flugzeug gestiegen und jetzt fliegen Sie. Ein mulmiges Gefühl bringt Sie nicht dazu, aus dem Fenster zu springen. Sie lassen das Gefühl Gefühl sein und freuen sich auf Ihr Ziel.
Der Wunsch nach einer Zigarette meldet sich. Das ist normal und in Ordnung. Sie akzeptieren ihn. Sie bekämpfen ihn nicht und folgen ihm nicht. Sie verhandeln auch nicht mit ihm.
Es gibt nichts zu verhandeln. Es gibt nichts zu überlegen. Die Entscheidung ist getroffen und unwiderruflich. Sie liegt in der Vergangenheit.
Deshalb brauchen Ihre Gedanken ans Rauchen Sie nicht zu beunruhigen. Sie wussten, dass sie kommen würden, und Sie sehen sie nicht als ernstzunehmende Ideen an.
Sie haben begonnen, zu leben. Verhandeln Sie nicht mit der Stimme in Ihnen, die rauchen will. Zu dem Thema ist alles gesagt. Kämpfen Sie nicht gegen Ihre Gefühle und Gedanken. Akzeptieren Sie, was in Ihnen vorgeht. Man nennt es das Leben.